Jessup Moot Court: Ablauf

Das Team und der compromis

Im Mai bzw. Juni jeden Jahres findet eine Informationsveranstaltung zum Jessup statt, an der ehemalige Teilnehmer den interessierten Studenten Rede und Antwort stehen. Kurz darauf wird dann ein vier- bis fünfköpfiges Team zusammengestellt. Bereits vor Erscheinen des Sachverhalts frischen die Teammitgliedern ihre Völkerrechtskenntnisse auf. Je nach Möglichkeit und Bedarf wird außerdem wird eine Einführung in die besonderen Rechtsgebiete des Sachverhalts gegeben. Mitte September wird der Sachverhalt, genannt compromis, veröffentlicht. Hieraufhin beginnt die zielgerichtete Recherche und das Verfassen der Schriftsätze: Jeweils zwei Teammitglieder vertreten zusammen einen der beiden Staaten (applicant oder respondent). Im Rahmen des Sachverhalts werden vier Rechtsfragen (claims) aufgeworfen. Jedes Teammitglied beschäftigt sich mit zwei claims. Ein claim lautet beispielsweise folgendermaßen:

Whether or not Great Britain must cede administration over the Falkland Islands to Argentina because sovereignty over the Islands does or does not belong to Argentina.

Die memorials

Die Schriftsätze (memorials) entsprechen im Grunde dem Gutachten, dass in einer Hausarbeit angefertigt wird. Allerdings behandelt man Streitstände nicht von einem neutralen Standpunkt aus, sondern als Anwalt eines Mandanten. Neben dem Gutachten beinhalten die memorials ein Inhalts- und Literaturverzeichnis, Zusammenfassungen des Sachverhalts (summary of facts) und der Rechtsthesen (summary of pleadings) sowie einige andere Formalia. Ingesamt umfasst ein memorial ca. 50 Seiten. Dem compromis als Sachverhalt korrespondiert ein bench memorandum als Lösungsleitfaden für die Richter. Allerdings ist der compromis so ausgelegt, dass sich zu den meisten Problemen entgegengesetzte Standpunkte vertreten lassen. In manchen Fragen hat der applicant die besseren Argumente auf seiner Seite, in manchen der respondent. Die Kunst des Wettbewerbs besteht darin auch in einer rechtlich ungünstigen Lage seinen Mandanten souverän zu vertreten.

Die pleadings

Nach Abgabe der Schriftsätze im Januar beginnt das Proben der mündlichen Verhandlung. In der mündlichen Verhandlung stellt zunächst council for applicant seine Auffassung ca. 42 Minuten lang dar (Jedes Teammitglied ungefähr 21 Minuten). Dann redet council for respondent auch ca. 42. Minuten. Hieran schließt das zweiminütige Rebutal an. Council for applicant darf hier die Äußerungen der Gegenseite widerlegen („Council for respondent contended that under customary international law the right to independence as an outflow of the principle of self-determination is only granted to a people in a colonial context. That is wrong for the following reasons...“). Im surrebuttal kann die Gegenseite dann noch einmal auf das rebuttal antworten.

Für die mündliche Verhandlung sind zwei Aspekte entscheidend: Jedes Teammitglied kann nur etwa 25 Minuten vortragen. Die Argumentationslinie aus dem Schriftsatz muss deshalb erheblich verschlankt werden und komplexe Argumentationen müssen in wenigen Sätzen dargestellt werden.

Des weiteren sind die pleadings im Idealfall kein Vortrag, sondern eine Diskussion zwischen council und judge. Hierbei gibt der judge vor über welche Aspekte des Falls gesprochen wird. Der council muss sich dem anpassen und in der Lage sein Argument länger auszuführen als er geplant hatte, andererseits aber auch nicht ins Stocken zu kommen wenn der judge ihn bittet einen Punkt komplett zu überspringen („Lets take that for granted. Please proceed with your next argument.“).

Der nationale Vorausscheid

Im Februar finden dann die viertägigen nationalen Ausscheidungsrunden statt. Die Gewinneruniversität des vorangegangen Jahres veranstaltet traditionell den Wettbewerb zu dem zuletzt 15 deutsche Universitäten Teams entsandt haben. In einer Vorrunde tritt man in der Regel gegen vier Teams an und hält mündliche Verhandlungen vor immer wechselnden Richterbänken, bestehend aus drei judges. Die judges - Professoren, Anwälte, Diplomaten und Richter - werden jedes Jahr entsprechend den relevanten Rechtsbereichen ausgesucht.

Nach den Vorrunden treffen die vier besten Teams in Halbfinals vor benches bestehend aus 8 judges aufeinander. Die Dauer der mündlichen Verhandlung verlängert sich von einer Stunde auf 90 Minuten. Im nationalen Finale steht man dann traditionell Richtern des Internationalen Gerichtshofs gegenüber. So bestand die bench im Jahr 2010 aus Bruno Simma, Abdulqawi Ahmed Yusuf, Abdul G. Koroma.

Die drei besten deutschen Teams dürfen an der Internationalen Finalrunde in Washington D.C. teilnehmen, wo sie im März auf mehr als 100 der weltweit besten Teams treffen.